Immer, wenn ich zur Pediküre gehe, muss ich an einen YouTube Vortrag von Gerald Hüther denken. Darin echauffierte er sich darüber, dass wir Menschen für alles und jedes immer häufiger einen “Spezialisten” aufsuchen. Wir würden jegliche Kompetenz aus der Hand geben und als Beispiel nannte er den “Zehennägelschneider”. Im tieferen Sinn ging es aber auch um Vereinsamung und dass gerade die Älteren in der Gesellschafft zu wenige persönliche Kontakte hätten und somit niemanden, den sie um Unterstützung bitten könnten. In dem Zusammenhang finde ich das Beispiel allerdings nicht ganz so gelungen. Ich weiß nicht, ob ich es als “Freundschaftsdienst” einstufen würde…
Ich bin sehr dafür Aufgaben, die ich nicht sooo gerne mache outzusourcen (diese Wort war geschäftlich früher omnipräsent – heute bekomme ich es kaum noch zu hören – was ist denn da passiert?), wenn es erschwinglich ist, und die Zeit die ich damit “gewinne” mit erfreulicheren Themen zu belegen. In diesem Fall habe ich die Zeit im Nagelstudio genutzt die Unterlagen aus dem GFK (Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg) Workshop vom 8. Juli nochmal durchzublättern.
Der Unterschied zwischen Wahrnehmung/Beobachtung und Interpretation wurden ebenso wie der Gegensatz von Gefühlen und Gedanken (bzw. Pseudogefühlen) vorgestellt und in Kleingruppen geübt. Grundlegende Bedürfnisse und Strategien um diese zu erfüllen wurden differenziert. Es ist erstaunlich, wie viele Bedürfnisse manchmal mit einer Handlung erfüllt werden (sollen). Es ist spannend genauer hinzuschauen aus welchem Grund wir Dinge tun. Die Information, dass Bedürfnisse universell gelten und unterschiedliche Strategien zum Ziel führen sollen war zwar jetzt nicht neu, aber trotzdem gut platziert.
Ich habe ein großes Bedürfnis nach Gesundheit, aber meine Strategien zur Erreichung derselben scheinen nicht immer hilfreich bzw. zielführend zu sein. In der Vergangenheit habe ich mich meistens zurückgezogen und gar nichts unternommen, wenn ich eine Befindlichkeit hatte. Mein Ziel war immer “gesund zu werden” um dann meine Aktivitäten wieder aufnehmen zu können. Ich habe in letzter Zeit so oft gehört, “Dass ich erst mal wieder gesund werden muss”…, dass es einfach nicht mehr erreichbar schien. Inzwischen ist das Bedürfnis nach Gemeinschaft, Kontakt und Verbundenheit so gewachsen, dass ich bei der aktuellen Migräneattacke nicht wieder NUR Ruhe und Abgeschiedenheit gesucht habe. Ich wollte gerne mit Wolfgang zu den Hofflohmärkten in Giesing und der Reismühle in Gauting. Also habe ich Medikamente genommen (die nicht perfekt wirken, aber lindern) und bin dann eben “nicht ganz so fit” durch Untergiesing gelaufen. Wir haben schöne Innenhöfe gesehen und ich habe tatsächlich ein paar tolle Oberteile gefunden. Abends haben wir gekocht und es uns gemütlich gemacht. Am Sonntag war die Migräne noch immer da, also habe ich nochmal was genommen und wir konnten uns die Werke der Künstler von der Reismühle ansehen und mit einigen von ihnen ein paar Worte wechseln. Als es danach nochmal losging war ich zwar kurzzeitig ein bisschen frustriert, aber ich im Vergleich zu zwei Tagen allein und abgelegt, war dies ein wunderbares Wochenende zu Zweit.
Ich verfolge seit der Rückkehr aus New York eine neue Strategie; ich lasse mich akupunktieren. Mal sehen, ob es sich lohnt die ein oder andere davon an getriggerte Episode in Kauf zu nehmen um dieses Thema zu heilen. Mein Arzt war in jedem Fall voller Begeisterung, als ich ihm von der getriggerten Migräne erzählte. “Dann wirkt es!” Wir werden sehen.
Auf jeden Fall verändert sich meine Haltung. Es geht darum meine Bedürfnisse differenzierter wahrzunehmen und die “alteingesessenen” Strategien auf den Prüfstand zu stellen. Die ein oder andere wird auch variiert oder sogar gekippt, aber eins ist sicher: Zur Pediküre werde ich weiterhin gehen.
Ich wünsche Dir einen guten Start in die neue Woche!
Musik: Anohni & the Johnsons “It must change” Eine Empfehlung aus der “Zeit”
Noch ein Foto aus New York : Subway Haltestelle Myrtle Avenue.
