elisabeth hauner

kunst

Kindheitserinnerungen und die Brücke in die Gegenwart
25. April 2022

Ich war schon lange nicht mehr auf einer Beerdigung. Und ich war schon lange nicht mehr bei der Verwandtschaft in Niederbayern – 9 Jahre um genau zu sein. Da war Tante Frieda’s achtzigster Geburtstag. Am letzten Freitag war ich auf ihrer Beerdigung in Oberköllnbach.

Auf dem Weg vom Parkplatz zum Friedhof konnte ich feststellen, dass es den Kramerladen bei der Kirche immer noch gibt. Der hatte früher am Sonntag vor und nach der Messe auch offen. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir das was eingekauft haben. Denn an den Samstagen kam “Der Beck” am späten Nachmittag mit dem Kombi voller Lebensmittel auf den Hof. Riesige Laibe Brot, Mehl, dies und dass und vor allem aber Süßigkeiten. In Kindertagen war ich in den Sommerferien jeden Sonntag in der Messe. Und mindestens einmal wurde ich vom Weihrauch und/oder vom langen Stehen ohnmächtig. Der Messner hat mich rausgetragen und an der frischen Luft “abgesetzt”. Ich hatte noch nie großes Stehvermögen.

Am Freitag ist alles gut gegangen. Während der Trauerfeier habe ich mich erinnert. An die Zeit, als ich die großen Ferien bei Tante Frieda und Onkel Alois auf dem Bauernhof in Hölskofen verbracht hatte. Sie war eine kleine, energische Frau, die gern lachte und dabei rote Bäckchen bekam. Ein kleines Dorf. Milchkühe, Schweine, Bummerl und Hühner und Felder für Weizen, Kartoffeln und Mais, wenn ich mich recht erinnere. Und es gab Katzen. Tante Frieda hat mich immer “Katzenmama” genannt.  Ich habe stundenlang mit einem Wollfaden mit ihnen gespielt, sie gestreichelt und immer von der Brotzeit was für sie abgezweigt. Als ich älter war, durfte ich Eier “abnehmen”, die Bummerl füttern und den Bulldog fahren (wie sich später im Gespräch mit meinem Bruder rausstellte, ein roter Porsche) um Heu zu wenden (heinga). Ich war super gern dort. Mit meiner Cousine bin ich spät abends runter geschlichen in die Speis. Wir haben uns dicke Scheiben Brot abgeschnitten, ordentlich mit Butter und der weltbesten, von Tante Frieda selbstgemachten, Himbeermarmelade beschmiert und gleich in der Kuchl weggeputzt. Mit meinen Cousinen, Cousins und den Nachbarskindern haben wir “Der Kaiser schickt seine Soldaten aus”, “Kirschen essen” und “Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann” gespielt. Ich kann mich nur noch an die Namen erinnern, aber nicht mehr an die Spielregeln. Bei heftigen Sommergewittern saß ich im Heustadl und hab die Beine aus der Luke baumeln lassen. Gewitter mochte ich schon immer – im Trockenen sitzend. Wir haben im Dorfweiher gebadet und sind mit dem Fahrrad nach Feuchten gefahren um ein Eis oder Honig aus einer Muschel zu schlecken. Und es war ein Paradoxon: Die Ferien waren lang und kurz zugleich.

Die Fahrt vom Friedhof nach Greilsberg zum Leichenschmaus führte uns ein Stück über die hügelige Straße, die mich an die sonntägliche Fahrt in Opas VW Käfer (der hatte noch Winke-Blinker”) erinnerte. Der Käfer existiert noch – in seine Einzelteile zerlegt wartet er darauf wieder zusammengesetzt zu werden um auf der Strecke zwischen Oberköllnbach und Hölskofen wieder los zu knattern. Ich habe über zwanzig Cousinen und Cousins, die zum großen Teil gekommen waren, teilweise mit Partner*Innen und Kindern. Eine große Runde. Da komme ich her.  Alt sind wir geworden – alle miteinander. Im ersten Moment bin ich ein bisschen erschrocken. Im nächsten Augenblick war ich sehr dankbar für die Erinnerungen, die Erzählungen und vor allem für die Fragen und Gespräche zur Gegenwart. So große Runden sind ja nicht wirklich mein Ding – ich fühle mich dann schnell verloren – und doch sind wir bis um acht Uhr abends geblieben. Dann sind wir wieder los “auf Minga” in die Großstadt, die von vielen liebevoll “Millionendorf” genannt wird und in der mein Cousin H., wie er selbst sagt, verloren gehen würde…?

Ich wünsche Dir einen guten Start in die neue Woche.

 

Diesmal die Zeitschnipsel aus der Wochenzeitung “Zeit” vom 14. zum 20. April 2022

 

Rod Stewart: “The first cut is the deepest” Ich weiß, das scheiden sich die Geister. Für mich muss dieses Lied von Rod the Mod interpretiert sein, nicht von Cat Stevens.

 

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