Zu meinem 44ten Geburtstag habe ich von einer Freundin einen tollen Korb mit Duschgel, Bodylotion und einem Saunahandtuch bekommen. Die Kosmetikartikel waren schnell verbraucht, das Handtuch habe ich irgendwann bei einem Saunabesuch vergessen, aber den Korb hatte ich noch. Er stand bis vor ziemlich genau vier Wochen in der Küche, chaotisch gefüllt mit all meinen Gewürzen. Er hat einen großen Teil der Arbeitsfläche in Beschlag genommen und wenn ich ein spezielles Gewürz benötigt habe, musste ich ihn teilweise komplett ausräumen um fündig zu werden. Beides hat mich mehr als ein Jahrzehnt nicht gestört. Ich kann mir solche Kleinigkeiten ewig “ansehen” ohne auch nur den Hauch eines Wunsches nach Veränderung zu verspüren. Genauso mein Bücherregal, in dem Bücher scheinbar ohne jegliche Ordnung und einige auch davor auf dem Boden liegen…
Erst mal zurück zu den Gewürzen. Es gab schon ein paar Anmerkungen von meinem Lieblings-Gastkoch, die mich jedoch völlig unberührt ließen. Meine Küche, meine Gewürz(un)ordnung. Aber am Freitag, bevor Kunst in Sendling startete, hat mich der Rappel gepackt. Ich habe eine Schublade ausgeräumt und alle Gewürze, alphabetisch geordnet, eingeräumt. Das sah sehr übersichtlich aus und hat mir auch sehr gut gefallen. Allerdings mussten nun das ausgeräumte Besteck einen neuen Platz finden. O.k. also eine andere Schublade ausräumen – Küchenutensilien lagen jetzt auf der Arbeitsfläche. Das Besteck bekam eine neue Heimat. Die Lösung für die Utensilien war eine große Glaskaraffe, in der bis dahin eine Küchenrolle Platz fand. Allerdings drängelten sich jetzt noch meine großen, nicht sehr scharfen, Küchenmesser dicht an dicht in einer der Schubladen…
Meine Haushaltsfee hat mich gleich nach ihrem ersten Einsatz nach der Umräumaktion auf die “positive” Veränderung in der Küche angesprochen. Ich antwortete ihr, dass ich für Veränderungen immer ziemlich lange Zeit brauche. Letzten Freitag rief sie mich an und meinte, dass ihr diese Aussage keine Ruhe gelassen hätte, ob sie mich was fragen dürfe? Ja klar. Ob ich denn wissen würde, woran das liegen würde mit dem zeitlichen Verzug? Ich erzählte ihr von dem Rattenschwanz, den diese vermeintlich kleine Veränderung nach sich zog. Dass mich unterbewusst allein die Vorstellung des möglichen Dominoeffektes davon abhalten würde. Dass es mir schlichtweg zu anstrengend und aufwändig sei, das alles dann umzusetzen.
Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, hat mich nun ihre Frage intensiv beschäftigt. Weil ja schließlich das einzig beständige im Leben die Veränderung ist. Nichts bleibt, wie es ist. Leben ist Veränderung. Im Umkehrschluß -> ohne Veränderung ist es kein Leben. Ich habe mich gefragt, ob sich in meinem Veränderungsunwillen die Angst vor dem Leben zeigt? Dass ich im Grunde mein Leben nicht “ableben” will, weil dann die Strecke zum Ende ja immer kürzer wird? Also die völlig paradoxe Annahme, dass wenn ich nicht wirklich “lebe/erlebe” auch nicht sterben werde? Das passt zu meinem Überlebensmechanismus “Freeze”. Einfrieren. Nichts tun. Warten bis ES vorbei ist. Davon bekomme ich ja bekanntermaßen Migräne.
Am Samstag bin ich in die Stadt geradelt. Mein Ziel: Kustermann. Ich habe mir einen Messerblock gekauft und zwei sehr scharfe Messer und eine “gscheite” Küchenschere (gibt es auch dumme Scheren?). Was jetzt noch fehlt? Ein Wetzstein. Zum nachschärfen, der Bestandsmesser. Und dann die nächste Veränderung. Vielleicht mein Bücherregal.
Ich wünsch Dir einen guten Start in die neue Woche.
Unser Atelierprojekt 30 x 30: Ich bin gespannt, wie sich das Bild (Fototransfer vom Originalfoto) verändern wird, wenn die anderen vier Künstler:Innen nacheinander ihre Spuren darauf hinterlassen haben.
Konstantin Wecker: Es ist schon in Ordnung – ein tolles Konzert zu seinem 75 Geburtstag im Circus Krone
Und noch ein Kulturtipp: JR mit “Chronicles” in der Hypokunsthalle, dazu ein Link zur Doku über seine Kunst – beides sehr sehenswert!